Was passiert eigentlich, wenn ich eine Erkenntnis habe? – Phänomenologie-Seminar

Vom 1. bis 6. Januar waren Alia, Lukas, Moritz, Martin, Camilla und ich, Diemut,  eine Woche in der Kooperative Dürnau zu einem Phänomenologie – Seminar.  Erstmal haben wir uns den Ursprung und die Grundlage  dieses wissenschaftlichen Erkenntniswegs angeschaut und sind auf Goethe, Hegel und Fichte zu sprechen gekommen. Es war allein schon spannend, den scheinbaren Widerspruch zwischen Goethe und Hegel – stellt man nun eine Theorie auf oder nicht und beobachtet ?- zu überwinden, wie sie jeweils Bedingungen für ein phänomenologisches Vorgehen auf dem Erkenntnisweg vorschreiben.

Doch heiß her ging es dann so richtig, wie wir zu den Weltgesetzen und Denkgesetzen vorstießen: Gibt es diese? Das hatten wir bald mit Ja beantwortet, doch: Wie stimmen diese miteinander überein? Wie weit greift das Denkgesetz-Die Logik- und wann nicht mehr? Aber vor allem: Wie funktioniert eigentlich Erkenntnis? Was passiert da in uns?.

Weiter ging es mit dem Versuch, die Trennung zwischen Subjekt und Objekt aufzulösen, dabei aber scharf aufzupassen, dass wir dadurch Subjekt und Objekt nicht als Ein und Dasselbe erklären. Dann erst kann ich phänomenologisch untersuchen und nach Goethe “In den Dingen denken”.  Das war nicht gerade gemütliches schwätzen! (:

Aber auch die Frage nach der Vorstellung und dem Bewusstsein wollte angeschaut werden: Woher kommen eigentlich die Begriffe zu  unserer Vorstellung?  Was  sind Begriffe – Das Wesen des Phänomens!?  Ja die Phantasie… die ist ganz wichtig auszubilden für jegliche Vorstellungskraft, die über Erinnerungen hinausgehen soll. Wir machten einen Versuch zum Vorstellungsvermögen und stellten fest, dass z.B. ein dreidimensionales Konstruieren eines Bildes, in dem ich mich dann selbst noch (NICHT aus der Vogelperspektive) bewegen sollte, nicht möglich war. Das bedeutet aber ,dass wir gar keine direkte, präzise Abbildung der äußeren Sinnenwelt haben, sondern in uns konstruieren. Sonst müsste unser Bild ja auch ständig wackeln, wenn wir blinzeln. Ein weiteres Beispiel ließ uns zu denken geben:  2 Weltraumfahrer beobachteten aus dem All, wie große Container auf der Erde in einer Stadt verschoben wurden. Als sie das ihrer Station und den Wissenschaftlern durchgaben, errechneten diese, dass dies unter gar keinen Umständen möglich sei von dem errechneten Sehvermögens der Augen her, da die Strecke zu weit war. – Die Astronauten sahen die Container trotzdem und beschrieben, wie sie gerade verstellt wurden. -   Das bedeutet doch, dass unser wirkliches Sehvermögen gar nicht mit dem errechenbaren biologischen Aufbau unserer Augen zusammenhängt und dem ersten Beispiel zufolge auch gar nicht darauf ausgerichtet ist, nur genau wiederzugeben, was wir wahrnehmen. Das fanden wir sehr spannend und vorallem die daraus resultierende Frage: Woher haben wir dann das ruhige, präzise Bild unserer Außenwelt ?.

Angefangen mit dem Bewusstsein, wurde auch der Wille anfänglich untersucht:  In Zusammenhang mit der Handlung geht die Allgemeinheit oft davon aus, dass die Handlung vom Willen abhängt. Doch nun, ohne zu bestreiten, dass es vielleicht einen freien Willen gibt, macht Rolf, unser Seminarleiter, uns darauf aufmerksam, dass viele Handlungen auch gegen meine Willen oder völlig unabhängig von MEINEM Willen geschehen. So z.B. kann ich noch  so sehr nach Köln wollen, wenn Andere den Bus, die Bahn, das Auto nicht bereitstellen und mich zu Fuß unterwegs Wölfe fressen. Es deutet viel mehr darauf hin, dass der Einzelne von dem Willen ANDERER  abhängig und auf diese  angewiesen ist. Phänomenologisch ist jetzt nicht die Frage interessant, wo, wie und ob es jetzt tatsächlich einen Freien Willen gibt, sondern die Beobachtung, dass der Wille auf jeden Fall von vielen Determinanten, die auch nicht nur bei dem Einzelnen selbst liegen, belegt ist und daher viel wichtiger ist, wie  ich diese Determinanten verringere und  trotzdem zu meinem Ziel komme. Also nicht nach Norwegen gehen ,wenn ich heißen Sommerurlaub will, sondern vielleicht eher nach Spanien. (:

Was ich auf jeden Fall mitnehme aus dem Seminar, ist die genaue Unterscheidung der Phänomenologen: Sie gehen nicht schon mit einer bestimmten Frage, und schon gar nicht mit einer Theorie in die Untersuchung, da dann  schon ein determiniertes Ergebnis herauskommen muss, sondern sie gehen ganz von dem zu untersuchenden Phänomen aus. Es ist die Enthaltung zu denken, während sie beobachten und umgekehrt sich nicht ablenken zu lassen, wenn sie denken. Neu für mich war, die “Weil-und Warum”-Frage nicht mehr zu untersuchen, da ich einsehen musste, dass diese immer eine Glaubensfrage ist (ob nun die Wissenschaft nach vielen Erklärungen mit dem “Zufall” als Begründung kommt, wo sie nicht mehr weiter weiß, oder ob Rolfs  Oma gleich behauptet “das Christkindl backt” bei der Frage wie Wind entsteht, ist im Grunde dasselbe Phänomen, das wir nicht mehr begreifen, nur anders beschrieben.).

von Diemut