Wirtschaft – Der Verkehr von Wert

In der Dorfuniversität Dürnau hat uns Rolf Reisiger eine Woche lang in die Grundlagen der Wirtschaft eingeführt. Dies sind unsere Erkenntnisse aus dieser Wirtschaftsschnupperwoche.

von Diemut und Lukas

Wenn man den Wirtschaftsteil einer Zeitung aufschlägt, oder in einem Laden die Produkte betrachtet, wird man kaum reale Wirtschaftsvorgängebeobachten können. Das macht die Wirtschaft zu einem hochkomplexen Thema und führt schnell zu Irrtümern. Um Wirtschaftsvorgänge zu finden, die nicht von politischen, rechtlichen, soziologischen oder sonstigen Einflüssen verzerrt sind, muss man lange suchen. Beim Bauer der seine Kartoffeln anpflanzt und diese auf dem Markt verkauftkann man vielleicht noch reale Wirtschaft vorfinden, sobald aber beispielsweise Subventionengewährleistete werden, die er für den Anbau von Kartoffeln kassiert, liegen verzerrte Bedingungen vor. Das meiste, was in unserer heutigen Wirtschaft stattfindet, ist eigentlich völlig herausgelöst aus realen Wirtschaftsvorgängen, man könnte auch sagen, dass es auf dem Mars stattfindet. Wenn Firmen ganz andere rechtliche Bedingungen haben als Einzelpersonen, wenn sie steuerlich begünstigt sind und beispielsweise 90% der EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) -steuer erstattet bekommen, ist das weit entfernt von realer Wirtschaft.

Die Grundbegriffe der Wirtschaft: Natur, Arbeit und Kapital

Der erste wirtschaftliche Wert entsteht durch die Anwendung von Arbeit auf die Natur. Die Natur ist das Gegebene aus dem man schöpfen kann und die Arbeit ist die Tätigkeit des Menschen. Im wirtschaftlichen Sinne ist Arbeit aber erst dann Arbeit, wenn sie für andere verfügbar ist. Wenn ich mir selbst in der Nase bohre, ist es also noch keine Arbeit, wenn ich jemand anders in der Nase bohre, dagegen schon.

Solche Wertschöpfung geschieht beispielsweise, wenn ich Äpfel pflücke und diese dann für andere verfügbar werden (zum Beispiel indem ich sie verkaufe). Wenn ich die Äpfel pflücke und sie dann selber, bzw. mit meiner Familie esse, ist das kein wirtschaftlicher Vorgang. Natürlich könnte man jetzt sagen, dass ich die Äpfel ja meiner Familie verfügbar mache, aber im Normalfall gehören die Äpfel genauso mir, wie den Menschen mit denen ich zusammen lebe und stehen so der Gesellschaft nicht zur Verfügung.

Ein zweiter wirtschaftlicher Wert, das Kapital, entsteht durch das Anwenden von geistigen Fähigkeiten auf das Naturprodukt. Das Kapital entsteht wie die Arbeit, die ich auf die Natur anwende um ein Naturprodukt zu bekommen, durch eine Tätigkeit und Möglichkeiten des Menschen. Allerdings im Gegensatz zu ersterer, die zum Großteil körperlicher Art ist, hauptsächlich durch eine geistige. Die geistige Arbeit an sich würde noch nicht das Kapital darstellen, sondern erst deren Anwendung auf ein Naturprodukt. Meine Ideen und Möglichkeiten, die ich für das Naturprodukt habe und anwende, sind mein Kapital. In diesem Sinne ist auch Joseph Beuys´ Formel „Kunst = Kapital“ zu verstehen.

Beim Apfelbeispiel entstünde das Kapital dadurch, dass ich geistige Arbeit auf die Äpfel anwende, beispielsweise indem ich entscheide, was ich mit ihnen mache bzw. wie ich sie anderen verfügbar mache. Mache ich Apfelmus, Apfelsaft oder gebe ich sie so weiter? Verkaufe ich sie auf dem einen Markt oder auf dem anderen?

Oder kurz und knapp:

Natur + Arbeit = Wert 1 (Naturprodukt)

Naturprodukt + geistige Arbeit = Wert 2 (Kapital)

Neben diesen beiden Formeln gibt es noch einen 3. Hauptfaktor, der wirtschaftlichen Wert schafft, nach Rudolf Steiner die „Wertebildende Spannung“. Diese bezeichnet das Phänomen, dass Produkte aufgrund unterschiedlichster (beispielsweise psychologischer oder politischer) Faktoren, an Wert gewinnen oder verlieren. Wenn zum Beispiel ein bestimmtes Auto in der Werbung ganz toll dargestellt wird, von einem Prominenten benutzt wird, oder vom ADAC als „Auto des Jahres“ gewählt wird, kann das den Wert des Autos schlagartig erhöhen, weil auf einmal jeder das Auto fahren will. Das ist auch bei seltenen oder singulären Produkten der Fall. Der Wert eines Ersatzteils für einen VW-Käfer kann enorm ansteigen, wenn es nicht mehr produziert, und dadurch immer seltener wird. Bei einem Vincent van Gogh-Gemälde kann der Wert aufgrund seiner Singularität ebenfalls enorm ansteigen, wenn es entsprechend „wertgeschätzt“ wird, das heißt wenn die Nachfrage sehr hoch ist.

Wert und Preis

Der Wert eines Produktes entsteht durch die Mühe, die darauf verwendet worden ist. Wenn ich auf den Baum klettere um einen Apfel zu pflücken, hat dieser einen höheren Wert, als der Apfel, den ich vom Boden auflese, weil es mich mehr Mühe kostet, ihn zu ernten. Dieser Wert ist aber nicht bezifferbar und deswegen gibt es den Preis. Ein Beispiel dafür, dass der Wert eines Produktes nicht bezifferbar ist, ist ein verfaulter Apfel, der für den einen nichts wert ist, für den anderen aber vielleicht sehr viel, weil er verfaulte Äpfel sammelt. Wirtschaftsgüter haben also einen Preis, der mit dem wirklichen Wert nicht viel zu tun haben muss, aber eine Bezifferung dessen ist.Der Preis ist also dazu da, Wirtschaftsgüter vergleichbar und somit handelbar zu machen. Nur wie kommt der Preis zustande? Schnell denkt man da an die geflügelten Worte „Angebot und Nachfrage“. Das ist im Prinzip auch richtig, allerdings denkt man oft nur an Angebot und Nachfrage von Produkten. Wenn also wenige Häuser zum Verkauf stehen, aber viele Menschen ein Haus suchen, müssten konsequenterweise die Häuserpreise ansteigen. Aber was ist im Falle einer Inflation oder Deflation? Im Falle einer Inflation, wenn also die Kaufkraft des Geldes immer geringer wird, würden die Hausbesitzer die Häuser mit Sicherheit nicht gerne verkaufen, da sie damit rechen, dass das Geld, dass sie bekommen würden, immer mehr an Wert verliert. Die Häuserpreise würden durch die Inflation also mit Sicherheit viel stärker ansteigen, als durch Angebot und Nachfrage von Häusern an sich, da die Nachfrage nach Geld abnimmt. Umgekehrt steigt bei einer Deflation die Nachfrage nach Geld, weil jeder davon ausgeht, dass die Kaufkraft des Geldes weiter zunimmt. Das bedeutet, dass Angebot und Nachfrage von Geld dem Angebot und der Nachfrage von Produkten entsprechen müssen.

Preise können außerdem durch Faktoren, die nicht-wirtschaftlicher Natur sind, krass unterschiedlich zustande kommen. Wenn sich zum Beispiel ein Schreiner ein Kreissäge auf Kredit kaufen muss, während ein anderer eine von seinem Vater erbt, muss dieser den Kaufpreis der Kreissäge (plus Zinsen) wieder erwirtschaften, der andere aber nicht. Es kann also sehr gut sein, dass der eine Schreiner für einen Sägeschnitt mehr verlangt, als der andere. So wirken nicht-wirtschaftliche Faktoren in die Wirtschaft und umgekehrt wirken wirtschaftliche Faktoren ins Private. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der Schreiner, der die Kreissäge geerbt hat, trotzdem den gleichen Preis für einen Sägeschnitt verlangt, wie der, der sie auf Kredit kaufen musste. Für dieses Geld kann er dann zum Beispiel teurere Lebensmittel kaufen, seiner Frau einen Wochenendurlaub schenken, oder seine Kinder auf die Waldorfschule schicken.

Der Preis kommt also, neben nicht-wirtschaftlichen Faktoren, vor allem durch die Kreuzrelation von Angebot und Nachfrage, sowohl von Produkten als auch von Geld, zustande.

Was beinhaltet der Preis?

Was muss zum Beispiel ein Schuhmacher für die Schuhe, die er verkauft, mindestens bekommen? Zunächst einmal muss er in der Lage sein, vom Erwirtschafteten sein Leben (und möglicherweise das seiner Familie) erhalten zu können. Er muss also in der Lage sein, für Wohnen, Essen, Kleidung etc. aufzukommen. Dazu muss er neues Leder, Werkzeug, Rechnungszettel und sonstiges Material beschaffen können, um weiterhin in der Lage zu sein, Schuhe herzustellen. Und als drittes braucht er einen Gewinn. Wenn er diesen nicht bekäme, würde er bankrott gehen, sobald er mal die Treppe herunterfiele und ein paar Tage lang keine Schuhe herstellen könnte. Er könnte auch keine neuen Schuhmacher ausbilden, Fortbildungen besuchen, oder sich Gedanken zur Qualitätsentwicklung seiner Schuhe machen, weil er ja die ganze Zeit Schuhe machen müsste, um nicht bankrott zu gehen. Der Gewinn ist sein Kapital, das heißt er kann frei (geistig!) entscheiden, ob er damit einen Lehrling ausbildet, einen Kurs zur Herstellung von Hausschuhen besucht, oder etwas anderes für Entwicklung seines Geschäftes tut. Der Preis muss also mindestens die Lebenserhaltungskosten, die Beschaffungskosten und einen Gewinn beinhalten. Man kann beobachten, dass der, der am besten die konkreten Wünsche seiner Kunden erfüllt, meistens den größten Gewinn machen kann.

Drei verschiedene Einkommensarten

Gewinn (kommt durch Gewerbe und Handel zustande)

Der Gewinn ist das, was bei einem Handel – wenn also fertige Waren gehandelt werden – nach Abzug der Kosten von den Einnahmen, übrig bleibt. Wenn beispielsweise der Gärtner den Betrag A für die Züchtung und den Verkauf seiner Pflanzen, sowie für seine Lebenserhaltungskostenausgegeben hat und beim Verkauf den Betrag ABC einnimmt, beträgt sein Gewinn BC.

Lohn (kommt bei arbeitsteiliger Arbeit zustande)

Wenn durch Arbeitsteilung mehrere Menschen an einem Produkt arbeiten und dadurch Menschen in einem Anstellungsverhältnis stehen, kommt es dazu, dass Lohn bezahlt wird. Wenn z.B. in einer Schuhfabrik Einer Sohlen macht, ein Zweiter Leder zurecht schneidet und ein Dritter den Schuh zusammensetzt, ist das Arbeitsteilung. Jeder der Arbeiter kauft dem Chef im Prinzip das Material ab, wendet Arbeit darauf an und verkauft es dem Chef dann wieder. Nur wird es kein sichtbarer Handel, weil die Materialien keine fertigen Waren sind und „Handel“ sich über fertige Waren definiert.

Rente (kommt durch Rechtsverhältnisse zustande)

Alle Einnahmen aus Vertragsverhältnissen, welche keinem direkten Arbeitsaufwand mehr haben, sind Rente. Der Aktionär, der am Jahresende eine Dividende („Anteil“) bekommt, erhält Rente, ebenso der Musiker, der die Rechte an seinem Top-Hit hält und bei jedem Verkauf prozentual mitverdient, oder auch der geniale Physiker, der sich sein Perpetuum Mobile patentieren lässt.

Geld

Geld hat keinen eigenen Wert. Eine Münze oder ein Geldschein an sich, haben zwar schon einen Wert und zwar einen der der Mühe entspricht, die ihre Herstellung gekostet hat. Die Herstellung eines 100 Euro-Scheins hat aber z.B. nicht hundertmal mehr Mühe gekostet, als die eines 10 Euro-Scheins. Was beim Geld eine Rolle spielt, ist nicht ein eigener Wert, sondern der Wert, den das Geld repräsentiert. Dafür, dass das Geld einen Wert repräsentiert, sorgt die Politik (in Deutschland die Bundesbank und die Europäische Zentralbank), die Macht über das Geld hat und so auch für die Neuschöpfung verantwortlich ist. Das Geld hat damit also einzig und allein die Funktion der Buchhaltung, das heißt der Verrechnung von Wirtschaftswerten. Ein Mangel des Geldes ist, dass der Wert, den es repräsentiert, nicht natürlich abnimmt. Waren verlieren aber natürlich an Wert (Verfall, Verbrauch, Verschleiß etc.) und diesen Wert repräsentiert das Geld ja. Um trotzdem das Verhältnis von Wirtschaftsgütern zu Geld auszugleichen, wollen Ökonomen, dass nur soviel Geld neu geschöpft wird, wie Wirtschaftsgüter entstanden sind, was heute aber nicht geschieht.

Drei verschiedene Geldarten

Kaufgeld

Man gibt Geld gegen Ware bzw. handelt es sich um einen Wechsel von Ware, Gütern, Leistungen, etc. Dabei geht es vor allem um den Konsum, also den Verbrauch der Waren. Wenn ich vom Friseur die Haare geschnitten bekomme und ihm seine Leistung bezahle (mit Geld oder Kartoffeln), ist das Kaufgeld

Leihgeld

Leihgeld tritt überwiegend bei Investitionen auf. Man gibt Leihgeld in der Erwartung, dass man es zurückbekommt. Beispielsweise leihe ich meinem Nachbarn einen Stier und eine Kuh, in der Erwartung sie nach einem Jahr wieder zurück zu kriegen. Umgekehrt bekommt mein Nachbar die Tiere in der Erwartung, nach dem Jahr ein Kälbchen als Gewinn behalten zu können. Die beiden Tiere sind in diesem Beispiel Leihgeld. Wenn mein Nachbar sie aber schlachtet und isst, also konsumiert, und nicht zurückgeben kann, waren sie doch Schenkgeld.

Schenkgeld

Man gibt Schenkgeld, wenn man keinen wirtschaftlichen Zweck im Auge hat, sondern einen ideellen, geistigen. Schenkgeld ist nicht wie das Kaufgeld an eine bestimmte Gegenleistung geknüpft. Wenn ich Kap Anamur 1000 Euro spende, einfach weil ich toll finde, was sie machen, ist das Schenkgeld. Wenn ich diese Spende aber mache, weil ich hoffe, dass Kap Anamur meinen Bruder, der in Afghanistan festsitzt, bei ihrem Afghanistan-Einsatz so besser retten kann, dann ist das schon fast Kaufgeld, weil ich eine bestimmte Gegenleistung erwarte bzw. erhoffe undihren potenziellen Einsatz für meinen Bruder „bezahle“.

Zinsen (englisch: „interest rate“)

Zinsen sind eine Entschädigung dafür, dass man in der Zeit, in der man das Geld verliehen hat, nichts damit machen kann. Wenn ich meinem Nachbarn also für ein Jahr die Kuh und den Stier leihekann ich z.B. keine anderen Kühe von dem Stier begatten lassen, kann, falls das Essen knapp wird, nicht die Kuh schlachten und ich kann den Kindern, die zu Besuch kommen, die beiden nicht zeigen. Die Zinsen sind außerdem eine Risikoprämie. Für den Gläubiger besteht das Risiko, dass der Schuldner seine Schuld, hier den Stier und die Kuh, eventuell nicht begleichen kann. Je höher dieses Risiko ist, desto mehr Zinsen hat der Schuldner in der Regel zu bezahlen. Griechenland zahlt beispielsweise deutlich mehr Zinsen auf seine Staatsanleihen als Deutschland, weil das Ausfallrisiko bei Griechenland höher geschätzt wird. Traditionellerweise wurden Kredite aufgenommen, um eine Produktionssteigerung zu erreichen. Deshalb wuchs durch die Kreditvergabe im Idealfall die Wertemenge. Beispielsweise kaufte sich der Schuhmacher auf Kredit eine Maschine, mit der er doppelt so viele Schuhe herstellen konnte wie vorher. So erhöhte er die Wertemenge. Damit die Geldmenge in einem Verhältnis zur Wertemenge bleibt, müsste im Idealfall dann die Geldmenge vergrößert werden.

Heute hat der Staat die Macht über die Geldschöpfung, beispielsweise ist in Europa ist die EZB und in Deutschland die Bundesbank für die Geldmengenpolitik verantwortlich. Private Banken schaffen aber ebenfalls Geld, indem sie Kredite vergeben.

Heute werden im Gegensatz zu früher viele Kredite für den Konsum verwendet. Diese tragen aber nicht unbedingt (wenn doch, dann indirekt und schwer bestimmbar) zu einer Produktionssteigerung bei. Wenn ein Fernseher auf Kredit angeschafft wird, der dann “konsumiert”, sprich Wert wird verbraucht, anstatt das neuer Wert geschaffen wird.

Steuern

Die Bürger zahlen dem Staat Steuern, womit dieser dann damit für alle wirtschaftet (Straßen bauen, Gesundheitsversorgung etc.). Allerdings war das nicht immer so, zur Zeit des Ursprungs der Steuern, im Feudalismus, verwendete der Herrscher die Steuern für sich und nicht für alle. Im Gegensatz zu Abgaben oder Gebühren, die an einen bestimmten Zweck gebunden sind, kann der Staat bei den Steuern frei entscheiden, was er mit ihnen anfängt. Somit sind Steuern Zwangsschenkungen.

Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Steuern, die der Staat erhebt. Beispielsweise die Einkommenssteuer, die Erbschaftssteuer, die Mehrwertsteuer, Steuern auf spezielle Waren wie die Tabaksteuer etc. Wenn der Staat beispielsweise will, dass weniger Auto gefahren wird und deshalb die Mineralölsteuer erhöht, greift er ordnungspolitisch in die Wirtschaft ein. In diesem Fall wird der Wert des Benzins im Benzinpreis kleiner, da der Anteil der Steuer größer wird. So kann es sein, dass es auf einmal günstiger ist, ein Elektroauto zu fahren. Ohne die Steuer wäre es das aber vielleicht gar nicht so und so schafft sie einen künstlichen Wertunterschied. Durch dieses Eingreifen des Staats in die Wirtschaft werden sämtliche Wirtschaftswerte nicht mehr beurteilbar. Die einzige Art von Steuer, die nicht innerhalb der Wertschöpfungskette die Wirtschaftswerte beeinflusst, ist die Mehrwertsteuer. Sie ist die einzige Steuer, die klar einsehbar am Ende jeder Wertschöpfungskette liegt, und doch jeden Handel erreicht. Sei es die Milch aus dem Supermarkt, die gekauft wird, oder die Villa von Bill Gates.

Arbeitsteilung (die Spezialisierung und Aufteilung von Arbeit)

Früher, in der sogenannten Stammeswirtschaft, hat jeder seinen eigenen Bogen gebaut und es sind auch alle zum Jagen gegangen. So hat jeder eine Vielzahl an verschiedenen Tätigkeiten ausgeübt, aber kaum die Möglichkeit gehabt, ein bestimmtes Talent auszubilden. Wenn einer sich aufs Bögen-Herstellen spezialisiert hätte, hätte er sehr viel Zeit in diese Tätigkeit gesteckt, viel Übung bekommen und Erfahrung gesammelt. Er wäre dadurch abhängig von den Jägern, die ihn ja mitversorgen und umgekehrt wären sie auch abhängig von ihm, da sie ja seine Bögen für die Jagd brauchen.

Heute haben wir eine stark von Arbeitsteilung bestimmte Wirtschaft. Einer ist Schuster, einer Bäcker, einer Arzt etc. So kann sich jeder auf sein Gebiet spezialisieren, seine Tätigkeiten üben und viel Erfahrung sammeln (das ist die klassische Form von Arbeitsteilung, es gibt aber noch andere Formen, z.B. die zeitliche: Erst schält man alle Karotten, dann schneidet man alle, anstatt jede einzeln zu schälen und zu schneiden).

Anstatt dass drei ein bisschen Schuhe machen können, ein bisschen backen und ein bisschen Arzt sind, kann jeder eines richtig gut. So erhöht das Prinzip der Arbeitsteilung die Produktivität, indem durch Spezialisierung stärker Talente ausgebildet werden können. Das heißt allerdings nicht, dass Arbeitsteilung immer die Produktivität steigern muss. Wenn ich beispielsweise erst alle Bücherkartons die Treppe hoch trage und dann alle einräume, kann es durchaus sein, dass das, aufgrund der Monotonie der Arbeitsschritte, weniger produktiv ist, wie wenn ich je eine Kiste hoch trage und die Bücher einräume.

Ein weiterer positiver Effekt der Arbeitsteilung ist, dass die „Totzeiten“, also die Zeiten der Wechsel zwischen verschiedenen Arbeitsschritten, wegfallen. Zum Beispiel kann der Bäcker den ganzen Tag backen und muss nicht am Nachmittag noch Schuhe machen. Dafür müsste er den Arbeitsplatz wechseln, sich umziehen, Hände waschen etc.

Ein gutes Beispiel für die Effektivität von Arbeitsteilung ist der kranke Schuhmacher, der vom Arzt wieder gesund gemacht wird und so anstatt vier Wochen nur eine Woche nicht arbeiten kann. Im Prinzip hat der Arzt so, mit einem Zeitaufwand von ca. einer Stunde, drei Wochen lang Schuhe produziert.

Es gibt allerdings auch unteilbare Arbeit, beispielsweise in der Landwirtschaft, wo es keinen Sinn macht, die Haltung der Kühe und den Ackerbau zu trennen. Die Kühe brauchen das Heu vom Feld und das Feld braucht den Mist von den Kühen. Man kann nicht erst schlachten und dann melken, wie in einer Schuhfabrik verschiedene Teile gleichzeitig oder in beliebiger Reihenfolge produziert werden können. Die Kuh muss erst Futter bekommen und gemolken werden und ist erst nach einer gewissen Zeit geeignet zum Schlachten.

Ein anderes Beispiel ist geistige Arbeit: Um den Dachstuhl eines Hauses zu planen, muss man den Grundriss kennen, und auf diesem aufbauen. Wie man in diesem Bereich doch Arbeitsteilung vornimmt, kann man gerade wunderbar am Bau des Berliner Flughafen beobachten.

Ein weiterer Effekt der Arbeitsteilung wurde von Goethe so beschrieben: „Um ein Haus zu bauen, braucht man nur einen Kopf und 1000 Hände!“Will heißen: In einer arbeitsteiligen Wirtschaft gibt es auch Posten, für die man nicht viel Können und Wissen muss. Es kann schon ein Beruf sein, den ganzen Tag Kaffee auszuschenken. Das kann man in einer Woche fast bis zur Perfektion beherrschen und es dann Jahre lang machen. Einerseits ist das gut, weil so jeder irgendwo einen Platz finden kann. Auf der anderen Seite fördert es aber nicht gerade die Bildungsbemühungen, da Bildung für die Arbeitswelt keine große Voraussetzung ist, es reicht, wenn viele dazu in der Lage sind Kaffee auszuschenken, Türen aufzuhalten oder ein paar Knöpfe zu drücken.

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