Moment der Schwere

Wie es mir in meinem Studium auch manchmal zumute ist:

Angst, Sinnlosigkeit, Misstrauen, Ohnmacht, Einsamkeit

Damit stehe ich gerade da – Mitte des 2. Semesters beim UniExperiment – und hätte es mir nie träumen lassen, dass es mir während dem genialen UniExperiment-Studium einmal so ergehen würde.

Ich weiß noch wie ich anfing: Ich hatte gerade das Abitur absolviert und so nach 14 Jahren Freie Schule einmal „die andere Seite“ der Bildung kennen gelernt: Das sinnlose Büffeln nach Vorgaben und nur, weil es die Vorgabe so sagt. Dort, wo aus Konventionen, Strukturen, Institutionen, Angst und Kontrolle, Sinnlosigkeit, Einsamkeit, Misstrauen und Angst entstanden sind. Während der Abiturzeit durfte ich das erste mal erleben, wie es ist, ohne Sinn Dinge auswendig für eine Zahl zu lernen, die etwas über mich aussagen sollte (Note). Dann taugten mir diese Dinge nichts für den Moment, engten mich ein, raubten mir die Muße, die Gutmütigkeit, die Gelassenheit und ließen mich hetzten, rational-kalt werden. Und nicht einmal merken konnte ich mir die Dinge länger als bis zum Prüfungstermin, an dem ich alles mit einem charmanten Lächeln auf den Lippen raus kotzte.

Das war der Moment, in dem ich musste, in dem mir andere sagten, was zu tun sei, in dem ich unglücklich wurde, weil es für mich persönlich keinen Sinn hatte, kein Lernen war.

Ich suchte auch sofort wieder die Freiheit und die eigene Entscheidungsmöglichkeit, die Initiative, das Produktive, langfristige Lernen, nachdem ich mich aus der Abitur-Mühle entließ.

Überzeugt und begeistert begründete ich das UniExperiment, konnte ich dort doch freiwillig lernen und auf die Weise, wie sie mir zu Gute kam. Auch sagte mir kein anderer, was und wie ich Dinge zu tun hatte, denn am Willen zu Lernen, fehlte es mir nicht, und auch nicht an den Ideen und dem eigenen Kopf, wie ich das tun wollte.

Dass es einmal anstrengend werden wird, Durststrecken geben wird usw., dachte ich mir schon, gehörte aber für mich zum Preis des selbstständigen, freien Lernens dazu. Um nichts in der Welt würde ich da den hohen Preis des passiven Konsumierens und den sinnlosen Aufgaben aus einem Schema F für den Normalbürger angelegt zahlen, um automatisch Struktur zu haben.

Nun habe ich einerseits versucht auszukosten, was ein freies Studium möglich macht, und anderseits versucht, mir selbst Halt und Struktur zu geben, nicht zuletzt durch eine Lehrerin an meiner Seite.

Im Allgemeinen erzähle ich auch, wie verhältnismäßig erfolgreich das ist.

Doch heute will ich erzählen, wie es mir gerade seit ein paar Tagen in den stillen Stunden geht:

In meinem Studium ist die Struktur nicht einfach da, doch habe sie als notwendig und so heilsam erlebt.

Das letzte Seminar mit meiner Lehrerin steht an, danach ist diese Zusammenarbeit, dieser Halt, der mir alle ein bis zwei Wochen gegeben war, weg. Ich schaue mich nach anderen Möglichkeiten um, merke aber: eigentlich hab ich gerade gar nicht die Kraft zu suchen. Das äußert sich darin, dass ich gar nicht etwas Genaues „will“, nicht spüre was dran ist. Anderseits kann ich auch nicht loslassen und vertrauen, was kommt, da ich mich grade zu arg nach Halt sehne, mir also diesen schaffen will und suche.

Aber was ist das überhaupt, Sehnsucht nach Halt? Warum hab ich das?

Sie ist gerade ganz stark, so stark, dass ich gerade im Geiste wirklich die Studenten um ihre Struktur und ihren roten Faden, ihre Vorgaben, ihren „gegeben Sinn“ beneide, vor dem ich mich sonst flüchte.

Denn wenn ich morgens aufstehe, gibt es im Moment nichts, wofür ich aufstehen muss, was auf mich wartet. Nein, es liegt bei mir, mir jeden Tag meine Aufgabe zu suchen, mir den Sinn zu schaffen, wofür ich aufstehe.

Ja, tatsächlich, ich erlebe gerade das, wovon wir in der uniE-Gruppe immer wieder gesprochen haben: Zuviel Freiheit (bezogen auf meine Studiumsstruktur) löst Unfreiheit und Beliebigkeit aus, die ich kaum ertragen kann. Vor allem aber fühle ich mich noch nutzloser, sinnloser, als da, wo ich das Abitur gemacht habe. Da hatte ich die Sinnlosigkeit auch gespürt, wusste aber, ich kann mich gegen sie aufbäumen. Es war nicht meine Sinnlosigkeit, sondern eine von anderen aufgedrängte, die ich abschütteln konnte.

Jetzt – Jetzt liegt alles bei mir. Ich bin Schöpfer oder nicht-Schöpfer und ich fühle mich so unkreativ und leer, wie noch nie.

Da liegen sie alle vor mir, die Möglichkeiten, und ich lehne mich ohnmächtig zurück aufs Bett. Aber nein, da sagt eine Stimme in mir „Hah, das hast du gar nicht verdient, hast ja nix geschafft“ also raffe ich mich auf und rastlos versuche ich etwas zu tun, was nicht meiner Schöpferkraft entspringt, sondern schlechtem Gewissen.

Das geht nun latent schon länger, aber ausgebrochen vor 2 Wochen. – Darf das sein?- fragt eine Stimme in mir. Du hast mehr an Freiheit und Möglichkeiten, als andere jemals erreichen, hast auch ein absolut stimmiges Studienthema gefunden. Was also ist los, dass du dich so kraftlos fühlst mit deinen frischen 22 Jahren?

Kann ich mir denn nicht selbst einen Sinn geben? Aha, brauche ich persönlich einen gewissen Anteil an äußeren Begebenheiten, die ich nicht selbst beeinflusse? Oder bin ich gar nicht geschaffen für solch ein Studium? Mitten unter Freunden fühle ich mich allein.

Ich will nicht das Bürgerleben, kann nicht mich sehen in einem Haus, verabscheue ein Leben in der Stadt mit Coca Cola und Milch-Tetra-Packs. Ich trinke sie aber jeden Tag, und sei es Kuhmagen in einem Biokäse, den ich zu mir nehme, ohne es zu wissen. Ich sehe ein, dass ich zu einer Generation gehöre, mich nicht aus ihr und der Gesellschaft herauslösen kann, obwohl ich noch aus viiiel viel mehr mich lösen kann, als ich bisher geschafft habe.

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Intermezzo:

Eigentlich wollte ich euch hier einen Zwischenbericht meines Studiums liefern. Kräuterexkursionen, Beobachtungen, Öle, Tees, gelesene Bücher, was ich so gemacht habe.

Einerseits wäre die Bilanz wirklich kläglich für die Zeit, andererseits sprudelt eben gar nichts aus mir heraus gerade, (außer ein paar Tränen vllt.). Was also tun?

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Was ist nichts-tun für ein tun?

Ja, hier ist die andere Seite der Medaille.

Ich „weiß ja zum Glück“ dass das nur eine Phase ist, die wieder vorbeigeht. Aber genau das macht mich nachdenklich: ich will das weg haben, diese Phase soll nicht da sein. Und abgesehen von den interessanten Gründen, warum sie trotzdem da ist, finde ich es erstaunlich, dass ich ihr selbst so wenig Platz geben will und als etwas Schlechtes bewerte.

Nein erstaunlich nicht, das ist unsere Kultur , und mein menschliches streben vielleicht, das immer produktiv sein will, in Entwicklung und in Anerkennung..

Die Mitte zwischen Struktur und Freiheit, die ich brauche und mir so gut tut, dass es „Sinn ergibt“, nach der sehne ich mich. Im Moment, aus dem einen Ungleichgewicht heraus, sehne ich mich sogar auch einfach nach z.B. einer Ausbildung in der drei Jahre lang ein Sinn gegeben ist, gegen den ich mich notfalls aufbäumen kann:

Ist es schwieriger, aus Freiheit oder Freiwilligkeit und sich selbst heraus Dinge zu tun, als aus Protest handeln?

Ich bin müde.

Wie kann ich mir auch in solchen Zeiten vertrauen und mich ernst nehmen? Das tue ich nämlich nicht, denn ständig quäkt eine Stimme, „ach, das steht dir gar nicht zu, hier so rum zu jammern“, und ich versuche zu funktionieren, oder lenke mich ab.

Wie kann ich wieder wollen? Das letzte mal hab ich mich das bei dem Thema Orga im UniExperiment gefragt und durch Abstand und Zurücknahme hatte ich bald wieder einen Willen und Kraft, Orga-Dinge zu tun. Das ist nicht zu übertragen auf diese Situation hier. Weil ich nicht wirklich will, erreiche ich auch keinen der Lehrer, die mir vielleicht die erwünschte Struktur bieten würden und ich falle entkräftet ,mutlos zurück, wenn ich mir anschaue, was diese möglichen Lehrer (Heilpflanzenkundige) alles zu tun haben (Internet).

Angst, Sehnsucht, Ohnmacht, Sinnlosigkeit, Einsamkeit – Die andere Seite der Medaille.

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